„Engagement muss sexy und simpel sein“
BWMK-Kamingespräch im Stadthof Hanau: Viva-con-Agua-Mitgründer Michael Fritz setzt auf Gemeinwohl-Ökonomie

„Bist Du glücklich?“ fragt Michael Fritz den Oberbürgermeister. Claus Kaminsky antwortet spontan mit: „Ja“. Eine der Thesen, die Fritz als Mitgründer des Sozialunternehmens „Viva con Agua“ beim Kamingespräch des BWMK im Stadthof Hanau in den Fokus stellt, ist die Erkenntnis, dass der Einsatz für andere beziehungsweise für die Gemeinschaft glücklich macht. Der 42-Jährige ist Teil einer Bewegung, die vorwiegend in Ländern des globalen Südens Tausenden Menschen den Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Anlagen ermöglicht.
Wie das geht: „Sexy, simpel und strukturell skalierbar.“ Die Konzepte der Non-Profit-Bewegung sind einfach und begeistern – zum Beispiel durch das Pfandbecher-Sammeln auf Festivals und Konzerten. „Viva con Agua erreicht vor allem auch die jungen Leute. Sie haben Spaß an den Aktionen“, sagt Fritz. Das gilt auch für die „Millerntor Gallery“, ein Kunst- und Kulturfestival, das von Viva con Agua Arts organisiert wird. Es findet jährlich in dem namensgebenden Stadion des FC St. Pauli statt. Neben der Streetart an den Stadionwänden und vielen Kunstwerken, die ausgestellt werden, gibt es ein buntes Programm an Workshops und Musik. Die Hälfte des Erlöses geht laut Fritz an die Künstler:innen, die andere Hälfte fließt in die sozialen Projekte seiner Bewegung. Diese hat insgesamt sehr viel mit Hamburg und insbesondere Sankt Pauli zu tun: Denn der ehemalige Sankt-Pauli-Kicker Benjamin Adrion hat „Viva con Agua“ 2006 zusammen mit Fritz gegründet.
Durch bewussten Konsum gemeinnützige Projekte fördern
Der unkonventionelle Schwabe, der über die Bühne im Stadthof wirbelt als sei sie ein Spielplatz und im Sekundentakt Versatzstücke aus seiner Biographie, der Viva-con-Agua-Bewegung und Erkenntnisse aus dem Sozialunternehmertum preisgibt, ist bekennender Studienabbrecher und ein großer Freund des disruptiven Denkens. Will heißen: Er favorisiert Zukunftsdenken, das Störungen nicht ausklammert, sondern einbezieht. „Wir müssen die Brüche in unser Denken integrieren und Widersprüche produktiv machen“, so Fritz. Dafür sei Vielfalt unverzichtbar – „unterschiedliche Menschen bringen unterschiedliche Perspektiven. Und die Möglichkeit einer guten, kreativen Lösung wird wahrscheinlicher.“ Gelder für soziale Projekte generieren – das geht bei Viva con Agua auch durch so genannte soziale Produkte. Über Lizenzeinnahmen beim Kauf von Viva-con-Agua-Mineralwasser wird die Arbeit an Trinkwasserprojekten unter anderem in Uganda, Äthiopien und Südafrika gefördert. Auch Toilettenpapier und ein vor kurzem gebautes „soziales Gasthaus“ in Hamburg funktionieren im Sinne der Gemeinwohl-Ökonomie.
Kaminsky: Jeder Mensch kann jeden Tag einen Beitrag leisten, dass Miteinander funktioniert
„Demokratie braucht Vielfalt“ lautet der Titel des BWMK-Kamingesprächs, das von Constanze Angermann moderiert wird. Bereits zum vierten Mal hat das BWMK Gäste aus der regionalen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft eingeladen, um Impulse für Denken und Handeln im Sinne des Gemeinwohls zu gewinnen. Rund 70 Teilnehmer:innen verfolgen die Podiumsdiskussion mit Michael Fritz, BWMK-Geschäftsführer Martin Berg, Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky und Andreas Jäger, dem Leiter des Amts für Sozialen Zusammenhalt und Sport der Stadt Hanau.
Kaminsky sagt es klipp und klar: „Jeder Mensch kann an seiner Stelle jeden Tag seinen Beitrag leisten, dass Miteinander funktioniert.“ Demokratie sei nicht selbstverständlich, sondern bedroht. Machtmenschen wie Elon Musk und Donald Trump überschütteten die Welt mit Parolen gegen Vielfalt und Inklusion. „Ein Staatswesen, das nicht akzeptiert, vielfältig zu sein, kann nicht demokratisch sein“, so Kaminsky.
Special Olympics als Sportfest der Vielfalt
Schlüssel zum Miteinander seien gegenseitiger Respekt und Dialog auf Augenhöhe. „Dort hingehen, wo die Menschen leben und sich aufhalten, miteinander sprechen, zuhören, Lösungen entwickeln“ – das ist aus Sicht von Andreas Jäger besonders wichtig. Nur so könnte eine Stadt wie Hanau mit Bewohner:innen aus 140 Nationen zu einem Ort für alle werden.
Voraussetzungen schaffen, damit jeder Mensch einen Beitrag zum Miteinander leisten kann – dafür gebe das BWMK immer wieder Beispiele, so Martin Berg.
Dass Freude am gemeinsamen Gestalten motiviert, zeige sich in vielen Projekten – und sicher auch bei den Special Olympics, die vom 23.-26. Juni 2025 rund 700 Athlet:innen mit Behinderung und ihre Betreuerteams nach Hanau bringen werden. Auch hier geht es darum (sich) zu bewegen – und Teil einer vielfältigen Gemeinschaft zu sein.