„Rein in die Handlungsfähigkeit“

Neurowissenschaftlerin Maren Urner erklärte beim Jahresempfang des BWMK in Hanau wie lösungsorientiertes Denken funktioniert

Mutig sein, sich nicht von Angst lähmen lassen und Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen finden: Das sind Wege, wie sich dynamisches Denken beflügeln lässt - so berichtete die Neurowissenschaftlerin Professorin Maren Urner beim Jahresempfang des BWMK (Behinderten-Werk Main-Kinzig e.V.) im Brockenhaus Hanau. Dynamisches Denken sei die Voraussetzung, um Lösungen bei Herausforderungen und in Krisen zu schaffen.

Lösungsorientiertes Denken sei gerade angesichts weltweiter Krisen alternativlos, so die 38-jährige Akademikerin und Autorin, die an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Köln forscht und lehrt.

Rund 200 Gäste, unter ihnen die erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler, Hanaus Stadtverordnetenvorsteherin Beate Funck, Kreistagschef Carsten Ullrich sowie der Leiter des Integrationsamts beim Landeswohlfahrtsverband Hessen, Thomas Niermann, folgten gespannt und hochkonzentriert dem ebenso klugen wie fesselnden Vortrag von Maren Urner. Unter dem Motto „Wofür statt wogegen?“ führte sie aus, dass eine konstruktive Mediengestaltung sich positiv auf das Vermögen unserer Gehirne auswirke lösungsorientiert zu denken.

Durch negative Medienbilder und Berichterstattung - digital und analog - würden unsere Gehirne regelrecht „vermüllt“. Dadurch sei das menschliche Denkorgan dauerhaft im Angstzustand und die Sicht auf die Welt werde durch Schwarz-Weiß-Malerei und Panikmache verzerrt.

Keine gute Voraussetzung, um weise Entscheidungen zu treffen, so die Neurowissenschaftlerin. Anhand einleuchtender Beispiele und Forschungsergebnissen belegte sie, dass das menschliche Gehirn bis ins hohe Alter lernfähig sei. Die Möglichkeit in Lösungen zu denken sei gegeben, dazu müsse man sich allerdings bewusst von einer Informationsflut abwenden, die Angst erzeuge. „Um dynamisch zu denken, brauchen wir Mut und die Fähigkeit, miteinander zu kommunizieren.“ Es gelte Gemeinsamkeiten unter Menschen und/oder Gruppen zu betonen, anstatt die Unterschiede hervorzuheben. So könnten gemeinsam Ziele formuliert und entsprechend gehandelt werden. Denn Denken beeinflusse Handeln und umgekehrt.

Dabei gehe es nicht darum, Fakten wie Klimawandel oder Kriege schönzureden - sondern sich bewusst zu machen, dass die Aufnahme negativer Informationen Angst hervorrufe und das Gehirn dadurch regelrecht gelähmt werde. Konstruktiver Journalismus spare unangenehme Tatsachen nicht aus, zeige aber Perspektiven auf und nähre dynamisches Denken.

Welch wichtige Rolle Kommunikation spielt, um gemeinsame Lösungen zu finden, betonte auch die Verwaltungsratsvorsitzende des BWMK, Doris Peter, in ihrer Rede. Durch Corona sei das soziale Leben phasenweise sehr eingeschränkt gewesen. Dennoch habe das BWMK es geschafft, den Gemeinsinn aufrechtzuerhalten. Durch den Einsatz und das Engagement der Menschen im Sozialunternehmen sei die Krise bislang gut gemeistert worden. Und auch neue Projekte konnten umgesetzt werden. So wurde 2021 beispielsweise der Neubau mit Mensa und Sportraum der inklusive Sophie-Scholl-Schule eingeweiht, in Marjoß auf dem Bioland-Hofgut des BWMK ist ein Natur-Erlebniszentrum entstanden, und in Schlüchtern gibt es Planungen für ein Wohnprojekt für Menschen mit Autismus.

Auch Cäcilie Kluth war die Freude über das persönliche Zusammentreffen beim Jahresempfang anzumerken. Die neu gewählte Vorsitzende des Werkstattrats im BWMK begrüßte erstmals in ihrer neuen Funktion das Publikum und erhielt begeisterten Applaus.

Nachdenkliche Worte fand der Vorstandsvorsitzende des BWMK, Martin Berg. Es werde viel über Zugehörigkeit, Gemeinschaft und Inklusion gesprochen. Tatsächlich gebe es aber tagtäglich Menschen, die wegen ihres Verhaltens oder ihrer Merkmale ausgesondert würden. Bereits in Kindergärten erlebten so genannte „Systemsprenger“ Ausgrenzung. Das sei bestürzend und nicht der Weg, den er sich für unsere Gesellschaft wünsche. Auch hier gelte es nicht in Schwarz-Weiß-Kategorien zu denken, sondern gemeinsam mit den Beteiligten konstruktive Lösungen zu finden.

Der anhaltende Schlussbeifall zeigte, dass die inhaltsreichen und inspirierenden Reden gut angekommen waren. Anschließend erlebten die Gäste einen bezaubernden Sommerabend im hübsch hergerichteten Garten des Brockenhauses und lauschten der Musik der Band „Blind Foundation“ aus Frankfurt.

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