"Moralisch nicht zu verantworten"
BWMK-Chef Martin Berg, Oberbürgermeister Claus Kaminsky und Vizelandrätin Susanne Simmler fordern Justiz auf, zum Vorgehen von Querdenker-Anwalt und Berufsbetreuer Holger Fischer Stellung zu nehmen
Er gehört zur Querdenker-Szene, bezeichnet Corona-Impfungen als Völkermord und ist als Berufsbetreuer von 79 Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen und psychischen Erkrankungen aus dem Main-Kinzig-Kreis tätig. Das Hessenfernsehen hatte berichtet, dass Rechtsanwalt Holger Fischer aus Hanau die Betreuten massiv unter Druck setze und sie auffordere sich nicht impfen zu lassen. Dass ein Mensch mit einer solchen Geisteshaltung nicht als Berufsbetreuer arbeiten darf, darüber sind sich Martin Berg, Vorstandsvorsitzender des BWMK (Behinderten-Werk Main-Kinzig e.V.), Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky sowie Vizelandrätin Susanne Simmler einig. In einer gemeinsamen Pressekonferenz im Hanauer Rathaus forderten sie die Justiz auf, dazu Stellung zu nehmen. Amtsgerichte bestellen die Betreuungspersonen, im Falle von Holger Fischer das Amtsgericht Hanau.
„Ich will von der Justiz wissen, ob Fischers Vorgehen mit dem Betreuungsrecht im Einklang steht“, unterstrich Kaminsky. „Wir müssen uns schützend vor die Schwächsten unserer Gesellschaft stellen.“ Er selbst habe mittlerweile Strafanzeige gegen den Rechtsanwalt erstattet. Kaminsky sei empört über Fischers Verhalten. Der Rechtsanwalt tritt bei Querdenker-Demonstrationen als Redner auf und seinem Kanal beim Online-Messenger „Telegram“ folgen mittlerweile 26.000 Teilnehmer.
"Machtmissbrauch gegenüber Menschen, die in einem Abhängisgkeitsverhältnis stehen"
Martin Berg zitierte aus Gedächtnisprotokollen einiger Betreuter, die sich darin über Drohungen und manipulative Vorgehensweisen Fischers in Zusammenhang mit den Corona-Impfungen sowie weiterer Schutzmaßnahmen äußerten. Unter anderem habe Fischer wiederholt die Maskenpflicht in den Einrichtungen des BWMK in Frage gestellt. Das Sozialunternehmen habe die zuständigen Instanzen und Behörden über Fischers Aktivitäten informiert.
Es sei moralisch nicht zu verantworten, dass Fischer Menschen mit Behinderungen betreue, so Berg. Unter anderem in der Behindertenrechtskonvention sei die Selbstbestimmung des/der Einzelnen manifestiert, darüber setze sich dieser hinweg. Der Rechtsanwalt missbrauche seine Macht gegenüber Menschen, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm stünden und sei daher nicht mehr in der Lage, die Betreuungsaufgabe wahrzunehmen.
Ähnlich äußerte sich auch Sozialarbeiterin Birgit Höllmer, die seit rund 30 Jahren in der Psychiatrie und in der Psychosozialen Versorgung der Region arbeitet. „Fischer sorgt für Verunsicherung bei den Betreuten, aber auch bei den ehrenamtlichen und Berufs-Betreuern“, erklärte sie. Für die Menschen, die wegen einer psychischen Erkrankung oder geistigen Beeinträchtigung Unterstützung bräuchten, sei das fatal. Sich nicht impfen zu lassen führe zu sozialer Isolation „ein Drama für diese Menschen“, so Höllmer. Inklusion bedeute auch, gemeinsam für die Gesundheit zu sorgen, um miteinander sein zu können.
Simmler fordert bessere Kontrollmechanismen
Handlungsbedarf auf juristischer Seite sieht auch Susanne Simmler: „Die Amtsgerichte müssen ihrer Verantwortung gerecht werden.“ Der Fall Fischer zeige, wie fragil das System der gesetzlichen Betreuung sei. Im Kreis gebe es rund 7000 Betreuungsfälle, die zu 60 Prozent ehrenamtlich und zu 40 Prozent durch Berufsbetreuer begleitet würden. Simmler forderte bessere Kontrollmechanismen in kürzeren Abständen. Und eine Obergrenze für die Anzahl der zu betreuenden Personen pro Betreuer. „Wir brauchen praktikable juristische Lösungen, wie wir die Menschen schützen können.“ In Hessen seien die Betreuungsbehörden bei den Gesundheitsämtern angesiedelt. Diese gäben zwar zu erfüllende Bedingungen und Standards für ehrenamtliche und Berufs-Betreuer vor, das reiche jedoch offensichtlich nicht aus, wie die Causa Fischer deutlich mache.
Ein Beitrag über die Pressekonferenz ist unter anderem in der Hessenschau im hr-Fernsehen zu sehen.
www.hessenschau.de
Beitrag Radio Primavera:
Kaminsky hat Querdenker-Rechtsanwalt angezeigt
Hier eine Übersicht über die Pressebeiträge:
Artikel zur Pressekonferenz in Sachen Holger Fischer
